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Satire steht allen zu: Warum das Urteil gegen Böhmermann gleichzeitig sein Sieg ist

Dabei ist sein Showkonzept stets eine Gratwanderung: So amüsant und politisch versiert diese Sendung auch ist, hat Böhmermann stets schnell den moralischen Zeigefinger parat und legt diesen in manche Wunde unserer Gesellschaft. Gut so! Doch das „ZDF Magazin Royale“ ist keine normale Satire-Show, dahinter steht bekanntermaßen eine extrem professionelle Redaktion, von einer mehrfach ausgezeichneten Chefin vom Dienst angeleitet, die sich zuvor bereits als versierte Journalistin einen Namen gemacht hatte. Umso weniger kapiert man, dass diese Redaktion es mit dem Presserecht oft nicht so genau nimmt – weil schließlich alles bloß Satire sei. Eigentlich schade, denn der freiwillige Kodex der Presse ist kein blödes Korsett, sondern eine Ehre.

Honey, du hast dich verrannt!
Doch zurück zum Fall: Böhmermann hat Imker Rico Heinzig öffentlich im Fernsehen angeprangert und ihm „Bee-Washing“ vorgeworfen. Heinzig würde wie andere Imkereien Unternehmen zu einem umweltfreundlichen Image verhelfen, indem er in ihrem Namen Bienenstöcke pflege, ohne dass diese Nutztierhaltung ­real der Artenvielfalt zuträglich wäre. Pointe? Keine.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, was presserechtlich notwendig gewesen wäre, hat man den Mann aus Meißen nie. Auch wenn sich das „Magazin Royale“ nicht als das begreift, was es in diesem Moment recht eindeutig gewesen ist nämlich ein journalistisches Format, würde es der Anstand gebieten. Heinzig hatte wohl schon vermutet, dass er mit einer Beschwerde beim Presserat nicht weitergekommen wäre. Also hat sich der einfallsreiche Honigmann anderweitig beholfen, indem er Böhmermann mit dessen eigener Munition antwortete: einem Gag. Er druckte Böhmis Konterfei, erkennbar satirisch, auf seine Honiggläseretiketten. „Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt: Beewashing-Honig“ steht da. Um ehrlich zu sein: sehr viel lustiger als das meiste, was man in Böhmermanns Show zu diesem Thema offeriert bekam.

Darf der freche Imker das? Der Sachse berief sich gleichfalls auf Satire, bloß Böhmi war plötzlich der Humor abhandengekommen und klagte auf Unterlassung. Schade eigentlich.

Böhmermann ohne Humor
Im Februar war der Fernsehstar zum ersten Mal vor Gericht unterlegen, nun kassiert er also die nächste Pleite. Und man muss sich ernsthaft fragen, wie miserabel beraten der Showstar ist, so harsch gegen einen Kleinstunternehmer vorzugehen. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sprach vielen aus der Seele, als er auf X postete: „Ich finde es so erbärmlich, wie @JanBoehm anderen Satire verbieten will.“

Dass Imker Heinzig mit seinem zweiten Honiggläser-Etikett die abgedroschene Phrase von der „Cancel Culture“ bemüht und Böhmermann damit ebenso langweilig pariert, steht auf einem anderen Blatt. Die Freiheit gilt eben auch für schlechte Satire. Des Imkers Spendenaufruf im Internet brachte ihm statt der benötigten 20.000 Euro laut der „Frankfurter Allgemeinen“ jedenfalls bereits 73.000 Euro ein. Man darf dies durchaus als ein kleines Plebiszit betrachten – gegen das fragwürdige Gebaren eines Spitzenverdieners des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der einen kleinen Imker mittels kostenintensiven Berufungsverfahrens in die Knie zu zwingen versuchte.

Böhmermann steht in einer unseligen Tradition. Wir erinnern uns an die menschenverachtenden Späße, die Stefan Raab in den Nullerjahren mit einer damals 16-jährigen Frau getrieben hat, deren einziges Vergehen war, einen Nachnamen zu haben, der sich für anzügliche und frauenfeindliche Witze eignete. Zu Recht wurden jener Lisa Loch 2004 durch das Oberlandesgericht Hamm 70.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

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